Wenn du das erste Mal Kingdom Come: Deliverance II startest, merkst du sofort: Dieses Spiel ist anders. Kein glänzender Ritter in strahlender Rüstung, kein Magier mit glühenden Feuerbällen – hier geht es um Heinrich. Einen Typen, der in einer Welt lebt, die dir nichts schenkt und dir schon gar nichts hinterherwirft. Man fühlt sich wie ein Niemand, der in den ersten Spielstunden erstmal lernen muss, dass diese Welt nicht auf ihn wartet. Und ganz ehrlich: Das kann frustrieren.
Aber ist das schlimm? Nein, ganz und gar nicht. Denn genau diese Anfangsschwierigkeiten, dieses Gefühl, sich den Platz in der Welt hart zu erarbeiten, machen den Einstieg so einzigartig. Es ist, als würdest du morgens bei Öffnen der Tür den eisigen Wind ins Gesicht spüren – unangenehm, aber irgendwie belebend. Ein solcher Einstieg setzt natürlich Geduld voraus, und nicht jeder Spieler wird diese Anfangshürden zu schätzen wissen. Aber wer dranbleibt, wird belohnt – mit einer der authentischsten Rollenspielerfahrungen der letzten Jahre.
Die Entwickler haben mit dem Einstieg in Kingdom Come: Deliverance II ein klares Statement gesetzt: Hier wirst du nichts geschenkt bekommen. Es ist eine bewusste Entscheidung, den Spieler nicht mit Tutorials und Hilfen zu überhäufen. Stattdessen bist du gezwungen, Fehler zu machen, zu lernen und an Herausforderungen zu wachsen. Diese Art von Einstieg ist nicht jedermanns Sache, aber sie sorgt für eine tiefere Bindung an die Welt und den Charakter. Du spürst jeden kleinen Erfolg und jedes Scheitern umso intensiver.
Kingdom Come: Deliverance II – Eine Welt, die atmet und lebt
Kaum ein Spiel hat mich je so tief in seine Welt gezogen wie dieses. Die Spielwelt ist nicht einfach nur eine Ansammlung von Bäumen, Häusern und NPCs, die stumpf ihrem Tagesablauf nachgehen. Nein, hier lebt und atmet alles. Ein Bauer gräbt seinen Acker um, der Schmied ölt seine Werkzeuge, und in der Taverne wird gestritten, gelacht und gesungen. Es ist, als hätte Warhorse Studios mit einer Zeitmaschine direkt ins 15. Jahrhundert geblickt.
Besonders beeindruckend ist, wie dynamisch diese Welt auf Heinrichs Verhalten reagiert. Ziehst du blutüberschmiert durch die Straßen, bist du schneller Gesprächsthema, als du „Böhmen“ sagen kannst. Kommst du hingegen frisch gewaschen und in feinster Rüstung, werden dir Türen geöffnet, die vorher verschlossen blieben. Solche Details schaffen eine Immersion, die ich bisher selten erlebt habe.
Doch Perfektion? Nee, nicht ganz. Manchmal stolpert die KI über ihre eigenen Beine. NPCs bleiben plötzlich stehen oder reagieren nicht so, wie sie eigentlich sollten. Diese kleinen Hänger stören das Gesamtbild, aber hey, wer ist schon perfekt? Die Liebe zum Detail, die in jeder Ecke der Spielwelt steckt, wiegt solche Schwächen locker auf. Wenn du abends in einer Taverne sitzt und den Gesprächen der Gäste lauschst, merkst du, wie viel Mühe in die Simulation dieser Welt geflossen ist.
Ein weiteres Highlight der Welt ist die Authentizität der mittelalterlichen Darstellung. Hier wird nichts romantisiert oder vereinfacht. Die Häuser sind schmutzig, die Menschen hart, und das Leben ist voller Entbehrungen. Doch gerade das macht den Reiz aus. Du bekommst nicht nur eine Welt präsentiert, sondern eine Epoche, die in all ihrer Komplexität zum Leben erweckt wurde. Es gibt Momente, in denen du fast vergisst, dass du ein Spiel spielst, weil du so tief in diese Welt eingetaucht bist.
Kingdom Come: Deliverance II – Story mit Licht und Schatten
Die Handlung von Kingdom Come: Deliverance II setzt direkt an die Ereignisse des ersten Teils an. Heinrich, der einfache Schmiedesohn, findet sich erneut im Konflikt um die böhmische Krone wieder. Dabei spielt die Geschichte nicht nur auf der großen politischen Bühne, sondern auch auf der persönlichen Ebene. Es geht um Loyalität, Verrat, Liebe und Verlust. Diese Mischung macht die Story so spannend und überraschend persönlich.
Doch, um ehrlich zu sein, zieht sich die Haupthandlung zwischendurch wie zäher Honig. Einige Missionen wirken wie Lückenfüller, und man fragt sich: „Warum mache ich das jetzt eigentlich?“ Aber dann kommen diese Momente, die alles wieder gutmachen. Ein unerwarteter Twist, eine packende Zwischensequenz oder eine Entscheidung, die dich wirklich ins Schwitzen bringt.
Besonders stark finde ich die Beziehung zwischen Heinrich und Hans Capon. Hans, der anfangs wie ein arroganter Schnösel wirkt, entwickelt sich im Laufe der Geschichte zu einem der interessantesten Charaktere des Spiels. Seine Dynamik mit Heinrich – mal humorvoll, mal ernst – ist ein echtes Highlight. Aber auch andere Nebenfiguren, wie die mutige Rosa oder der zwielichtige Otto von Bergow, hinterlassen bleibende Eindrücke. Sie verleihen der Welt eine Tiefe, die es leicht macht, emotional in die Geschichte einzutauchen.
Die erzählerische Tiefe zeigt sich auch in den kleineren Momenten. Ein einfacher Dialog mit einem Bauern kann plötzlich in eine emotionale Geschichte über verlorene Familienmitglieder münden. Das Spiel versteht es, selbst die kleinsten Charaktere menschlich und vielschichtig darzustellen. Dadurch entsteht eine erzählerische Dichte, die in vielen modernen RPGs leider fehlt.
Kingdom Come: Deliverance II – Nebenquests, die überraschen
Die wahren Perlen von Kingdom Come: Deliverance II liegen in den Nebenquests. Keine davon fühlt sich wie eine langweilige Checkliste an. Stattdessen wirst du in Geschichten gezogen, die mal absurd, mal tiefgründig, aber immer unvergesslich sind.
Ein Beispiel: Eine einfache Aufgabe, bei der du einem alten Mann hilfst, endet in einer philosophischen Diskussion über Leben und Tod. Oder eine andere Quest, bei der du dich mitten in einer witzigen Sauftour mit Wachen wiederfindest. Diese Momente machen das Spiel so besonders.
Und dann sind da noch die moralischen Entscheidungen. Oft gibt es keine klare richtige oder falsche Wahl. Du musst abwägen, entscheiden und mit den Konsequenzen leben. Es ist, als würde das Spiel dich fragen: „Wer bist du wirklich?“ Besonders spannend ist dabei, wie unterschiedlich sich die Quests entwickeln können, je nachdem, welche Fähigkeiten Heinrich besitzt. Ein einfacher Botengang kann plötzlich zu einer komplexen Intrige werden, wenn du gut in Redekunst bist und Informationen aus deinem Gegenüber herauskitzelst.
Ein weiteres Highlight der Nebenquests ist ihre Verbindung zur Hauptgeschichte. Es gibt immer wieder Momente, in denen Ereignisse aus Nebenquests direkten Einfluss auf die Haupthandlung haben. Diese Verflechtung sorgt dafür, dass sich alles organisch und zusammengehörig anfühlt. Es gibt kein Gefühl von „Nebenbei“, sondern alles trägt zum größeren Ganzen bei.
Kingdom Come: Deliverance II – Kampfsystem für Geduldige
Die Kämpfe in Kingdom Come: Deliverance II sind nichts für ungeduldige Spieler. Hier wird nicht wild geklickt, sondern taktiert. Es geht um Schlagrichtungen, Paraden und gutes Timing. Am Anfang ist das frustrierend. Heinrich wirkt wie ein ungeschickter Tollpatsch, der mehr schlägt, als trifft.
Doch mit der Zeit lernst du, das System zu meistern. Die Kämpfe werden zu einem Tanz aus Angriff und Verteidigung, bei dem jeder Treffer zählt. Gegen einen Gegner funktioniert das wunderbar. Aber gegen mehrere? Da wird es haarig. Die Steuerung kämpft oft gegen dich, und die automatische Zielauswahl macht die Sache nicht einfacher.
Trotzdem: Wenn du einmal drin bist, gibt es kaum ein RPG, das ein so befriedigendes Kampfsystem bietet. Es belohnt Geduld und Planung – etwas, das viele moderne Spiele verlernt haben. Besonders spaßig wird es, wenn du neue Techniken lernst und merkst, wie Heinrich langsam zum Meister seines Handwerks wird. Es ist ein befriedigendes Gefühl, wenn du einen zuvor übermächtigen Gegner endlich besiegst.
Die Komplexität des Kampfsystems zeigt sich auch in den verschiedenen Waffengattungen. Jede Waffe hat ihre eigene Dynamik, ihre eigenen Vor- und Nachteile. Ein schwerer Kriegshammer fühlt sich ganz anders an als ein leichtes Schwert. Diese Vielfalt sorgt dafür, dass die Kämpfe nie langweilig werden und immer neue Herausforderungen bieten.
Kingdom Come: Deliverance II – Freiheit und Systemtiefe
Was mich an Kingdom Come: Deliverance II so fasziniert, ist die Freiheit, die das Spiel bietet. Du kannst deinen eigenen Weg gehen, Entscheidungen treffen und sehen, wie die Welt darauf reagiert. Willst du reich werden? Dann stiehl, betrüge oder handle. Aber sei vorsichtig: Diese Welt vergisst nichts.
Einmal habe ich in einem kleinen Dorf gestohlen. Tage später kam ich zurück, und die Bewohner sahen mich mit Argwohn an. Es war, als hätte die Welt meine Taten gespeichert und mich nicht vergessen. Solche Momente machen Kingdom Come: Deliverance II so einzigartig.
Aber mit Freiheit kommt Verantwortung. Du kannst nicht alles haben. Willst du stark im Kampf sein, musst du trainieren. Willst du diplomatisch sein, brauchst du Charisma. Diese Entscheidungen beeinflussen Heinrichs Entwicklung und machen jede Reise einzigartig. Besonders interessant ist, wie das Spiel dir die Konsequenzen deiner Taten spüren lässt, oft subtil, aber immer präsent. Es gibt keine leichte Lösung – und genau das macht die Erfahrung so intensiv.
Die Freiheit erstreckt sich auch auf die Erkundung der Welt. Es gibt keine festen Wege, keine strikten Vorgaben. Du kannst in jede Richtung gehen und deine eigenen Abenteuer erleben. Diese Offenheit sorgt dafür, dass jede Spielsession einzigartig ist und du immer wieder neue Aspekte der Welt entdeckst.
Kingdom Come: Deliverance II – Die Schattenseiten
Bei all den Lobeshymnen gibt es auch Schwächen. Das Speichersystem ist ein echter Nervfaktor. Du kannst nur an bestimmten Orten speichern oder musst einen Retterschnaps nutzen. Das fühlt sich manchmal unnötig restriktiv an, besonders wenn du nach einem langen Abschnitt stirbst und weit zurückgeworfen wirst.
Auch die Steuerung ist nicht immer auf der Höhe. Besonders in hektischen Situationen kann es passieren, dass du nicht das tust, was du eigentlich willst. Und dann ist da noch die KI. So beeindruckend sie oft ist, so nervig kann sie in manchen Momenten sein. NPCs bleiben plötzlich stehen oder verhalten sich schlichtweg dumm.
Aber seien wir ehrlich: Diese Schwächen sind verkraftbar. Sie stören, aber sie zerstören nicht das Erlebnis. Denn die Stärken von Kingdom Come: Deliverance II überwiegen bei Weitem. Wenn du bereit bist, über solche Macken hinwegzusehen, wirst du ein Rollenspiel erleben, das dir noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Kingdom Come: Deliverance II – Ein ungeschliffener Diamant
Kingdom Come: Deliverance II ist kein perfektes Spiel. Es hat seine Schwächen: Die Story zieht sich stellenweise, das Kampfsystem kann frustrierend sein, und die KI ist nicht immer zuverlässig. Doch all diese kleinen Macken machen es auch so besonders.
Dies ist ein Spiel, das sich nicht anbiedert. Es verlangt Geduld, Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, sich auf seine Regeln einzulassen. Doch wenn du das tust, wirst du mit einer der immersivsten und detailreichsten Welten belohnt, die ich je in einem Spiel erlebt habe.
Es ist ein ungeschliffener Diamant – rau, sperrig, aber wunderschön in seiner Eigenart. Wer sich darauf einlässt, wird ein Abenteuer erleben, das er so schnell nicht vergisst.